Einen Grundsatzbeschluss zum oberirdischen Ausbau der D‑Linie hat die Mehrheitskoalition aus SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 25. April 2013 in der Ratsversammlung durchgedrückt — gegen die gesamte Opposition. Vor der Abstimmung gab es eine hitzige Debatte, entfacht von Ratspirat Dirk Hillbrecht mit einer engagierten Rede für die Tunnelvariante als zukunftsfähiger Lösung. Nachfolgend dokumentieren wir diesen Beitrag im Wortlaut:
„Am 23. Juni 1965 hat der Rat dieser Stadt — einstimmig — den Beschluss gefasst, „zur Verbesserung des Gesamtverkehrs und zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs in der Stadt Hannover eine U‑Bahn zu bauen“. Der Beschluss war eine Vision: Die Vision, in Hannover einen einheitlichen, leistungsfähigen, zukunftssicheren, öffentlichen Schienenverkehr zu schaffen.
Hier und heute soll diese Vision nun zu Grabe getragen werden. Die Idee des einheitlichen Stadtbahnnetzes für alle Bürger und alle Stadtteile wird zerstört. Und diese Zerstörung soll auch noch umfassend sein. Schauen wir uns die projektierte Linie 10 an: Sie wird einen stadtgerechten Ausbau von Goethe- und Kurt-Schumacher-Straße verhindern. Sie wird rund um den Bahnhof gefährliche Barrieren für Fußgänger, Radfahrer und den motorisierten Individualverkehr schaffen. Sie ist weiterhin mehr schlecht als recht mit dem übrigen Stadtbahnnetz verknüpft. Sie ist von vorn bis hinten das Zeugnis einer ideologisierten Fehlplanung!
Meine Damen und Herren von rot-grün, Sie reden immer von Nachhaltigkeit. Ich erinnere mich gut an die Aussagen des üstra-Vertreters in der Anhörung des Bauausschusses am 3. April 2013: Die Angebotsqualität wird nach dem Umbau sinken und die Endhaltestelle am Raschplatz verhindert jede Taktverdichtung und damit jede Qualitätssteigerung der Linie.
Zudem wird die ganze Strecke nur für 50-Meter kurze Züge ausgebaut. Und damit werden längere Züge für höhere Kapazitäten verhindert. Das soll nachhaltig sein? Zumal, wenn es mehr als 50 Millionen Euro kosten soll? Nein, das ist armselig.
Nachhaltig wäre es, das Zielnetz der hannoverschen Stadtbahn zu vollenden. Mit der einzig sinnvollen Baumaßnahme in der Innenstadt: Dem Tunnel zwischen Goetheplatz, Steintor und Raschplatz. Und der Vision, das Netz weiter leistungsfähig auszubauen.
Meine Damen und Herren, wenn eine leistungsfähige Stadtbahn nicht in die Limmerstraße passt, dann könnte man auch dort über eine Linienführung darunter nachdenken. Die Lister Meile zeigt, wie sehr eine Straße davon profitieren kann, wenn man verschiedene Verkehrsebenen nutzt. Das wäre dann mal visionäre Verkehrspolitik. Und nachhaltig.
Seien wir ehrlich: Sie von der SPD und von den Grünen wissen ja selbst, wie sehr Ihre Argumente an den Realitäten vorbei gehen. Die vorbereitete U‑Bahnstation am Raschplatz sei völlig ungeeignet für die Stadtbahn, so eine Behauptung. Ihren Aussagen zufolge will da niemand hin.
Die oberirdische Strecke mit ähnlich gelagertem Endpunkt hingegen ist „die beste Idee überhaupt“, weil die Leute damit endlich zwischen Steintor und Raschplatz fahren können. Ja was denn nun? Sie widersprechen sich selbst und hoffen, dass es niemand merkt. Meine Damen und Herren, das klappt wohl nicht.
Mehr noch: Sie stellen die ursprüngliche D‑Linienplanung immer wieder mit dem Argument in Frage, Hannover würde nicht so wachsen wie seinerzeit angenommen. Gleichzeitig sind alle stolz wie Bolle, dass Hannover eben doch wächst. 500.000 Einwohner, 510.000, 520.000 – …
Eines der größten Wohnneubaugebiete wird die Wasserstadt Limmer. Sie liegt genau im Einzugsbereich der Linie 10. Da wurde sogar schon über eine Zweigstrecke nachgedacht. Aber solchen Überlegungen wird mit der hier geplanten Schmalspurstraßenbahn ein Riegel vorgeschoben. Wie soll das Bähnchen denn die Leute da wegbekommen? Wurde darauf in den Fahrgast-Prognosen eingegangen? Nein, liebe Zuhörende, die diesbezüglichen Zahlen der Region waren stattdessen immer gerade so, wie es der Erhalt der grün-roten Koalition einforderte.
Der Mehrheitskoalition war nie besonders daran gelegen, die öffentliche Diskussion zum Thema anzutreiben. Ich finde es unmöglich, dass über die Gestaltung der Hannoverschen Innenstadt nicht der Rat der Stadt und seine Gremien beraten. Stattdessen treibt die hier völlig deplatzierte Region rot-grüne Hinterzimmerpolitik voran. Und unser Gremium, der Rat der Landeshauptstadt Hannover, soll zu einer Abnickversammlung degradiert werden.
Meine Damen und Herren, schauen wir mal ein wenig in die Zukunft. Die ÖPNV-Fahrgastzahlen werden weiter steigen, das ist erklärtes — und richtiges — Ziel der hannoverschen Stadtpolitik. Und wie wir seit gestern wissen, wird eine solche Steigerung ja auch bereits fröhlich in die Finanzierungsprognosen der Region hineingerechnet. Die Bimmelbahn von und nach Linden-Nord wird diese Bedarfe nicht bewältigen können. Irgendwann — eher früher als später — werden sich Verwaltung und Politik an die vorsorglichen Bauten am Steintor und am Raschplatz erinnern müssen. Diese Bauten sind das Vermächtnis aus einer Zeit, in der man weiter dachte als das hier und heute bei der Mehrheit der Fall sein soll.
Ist das nun das Ende vom Lied? Nein, nein. Die hier vorliegende Beschlussdrucksache steht unter einem Finanzierungsvorbehalt. Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen, kurz: LNVG, kann dem Ganzen ziemlich einfach den Saft abdrehen, indem sie den Blödsinn schlicht nicht finanziert. Ich sage Ihnen ganz offen: Mein Wunsch ist, dass genau das passiert.
Und es würde mich schon interessieren, wie viele von Ihnen aus der Mehrheitskoalition im Stillen denken: ‚Ja, eine komplette Neuplanung wäre besser für unsere Stadt.’
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Mandatsträger in diesem Rat sind wir nur dem Gemeinwohl und unserem Gewissen verpflichtet. Wenn Sie diese Pläne für falsch halten, dann wäre an sich die notwendige Konsequenz, sie hier und heute abzulehnen. Hoffen Sie nicht darauf, dass die LNVG Ihnen diese Entscheidung abnimmt. Nein, wir alle hier tragen Verantwortung für die Entwicklung unserer Stadt.
Die PIRATEN-Fraktion wird die Beschlussdrucksache der Verwaltung ablehnen. Anders als 1965 wird es diesmal keinen einstimmigen Beschluss geben. So viel steht schon mal fest.”
Besser hätte man diese Murksplanung nicht kritisieren können. Hannover wird z.Zt. weit unter seinen Möglichkeiten regiert!